Sonntag, 18. Dezember 2011

my year in lists.

weihnachtszeit ist listenzeit. auch ich bin davon nicht befreit. ein guter zeitpunkt, sich nochmal alle herzensangelenheiten des jahres vor augen zu führen und 2011 "daumen hoch" bzw. "daumen runter" zu attestieren. natürlich wie immer komplett subjektiv und ohne allgemeingültigkeit. und erst recht ohne halbwertszeit-garantie.

01. la dispute: wildlife

nun habe ich grundsätzlich kein großes problem mit hypes, aber eine gewisse grundskepsis kann man wohl nie ganz ablegen. wenn also das ganze internet, die musikgazetten und eigentlich auch sonst jeder unisono "heilsbringer des hardcore" schreit, runzelt man schon mal die stirn. was soll schon groß passieren in einem relativ limitierten genre wie hardcore? die antwort scheint "eine ganze, verdammte menge" zu sein. jetzt wäre das vielleicht keine große überraschung, hätte man das vorgängeralbum "somewhere at the bottom of the river between vega and altair" von 2008 gekannt. da war nämlich alles schon vorhanden, lediglich nicht so komplett ausformuliert wie hier. kannte ich aber nicht. von daher kann einem schon mal ehrfürchtig der mund offen und die armhaare zu berge stehen, ob eines soundmonolithen wie "king park". hier kumuliert alles, was man hardcore an besseren seiten zusprechen möchte. sowohl musikalisch, als auch lyrisch. alles getragen von jordan dreyers stimme, die, wenn für manche auch bestimmt an der grenze zur nervigkeit, eine unfassbare intensität erreicht, und gewissermaßen als alleinstehendes instrument funktionieren könnte, auch würde er selbst ersonnenes singen, ähnlich wie bei sigur rós zu ( )-zeiten. allerdings hat dreyer eine menge zu sagen. das album quillt fast über vor worten, alles natürlich, wie es sich gehört, eher befindlichkeitsfixiert, denn politisch. la dispute sind vermutlich nicht die zukunft des hardcore, wie visions so schön titelte, aber eine fantastische band, die das spannungsfeld zwischen emo und hardcore bis zum letzten ausreizt, allemal.




02. the horrible crowes: elsie

ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich diese ganze kreationismus-kiste um brian fallon nicht beschäftigt hätte. wie kann jemand, der einen eindeutigen punk/hc-background hat und auch sonst kein kleingeist zu sein scheint, diesen geistigen durchfall tatsächlich gutheißen und sich in interviews im brustton der überzeugung gegen die evolutionstheorie aussprechen? ich hab darauf natürlich keine antwort, aber zumindest die gewissheit erlangt, dass es letztendlich die musik, die ausschlaggebend ist. und gott (pun intended), ist die schön. zusammen mit ian perkins hat mr. fallon ihrer gemeinsamen liebe für tom waits, die afghan whigs und the national ausdruck verleihen wollen. das heißt: rotwein und whiskeygeschwängerte hymnen für die dunkleren stunden. musik, die sich eher in zwielichtigen gassen und verrauchten bars wohlfühlt, als auf den großen bühnen, auf denen the gaslight anthem inzwischen angekommen sind. dabei ist fallons stimme natürlich wieder einmal dreh- und angelpunkt, der den überwiegend unspektakulär instrumentierten songs die richtung weist. mal sanft und zurüchhaltend wie bei "sugar". der wohl offensichtlichsten afghan whigs-hommage, mal kratzig wie bei "go tell everbody". wer was für die referenz-bands, eine gesunde dosis pathos und fallons stimme übrig hat und an der fragwürdigen ideologie vorbei sehen kann, findet hier einen schatz. er glänzt nur nicht so offensichtlich, wie bei der hauptband.




03. tom waits: bad as me

eigentlich müsste ich mich ja schlecht fühlen, tom waits auf einen anderen platz als, die 1 gesetzt zu haben. aber es ist einfach so, dass ich mich in der kurzen zeit seit seiner veröffentlichung einfach noch nicht zu 100% warm gehört habe. nur so zu 97%. es ist mal wieder wie ein bockiges kind. wenn man nicht weiß, was man erwartet (aber das sollte bei album nr. 17 wohl kaum noch der fall sein) oder wie man damit umgehen soll, raubt es einem den letzten nerv. aber wenn die wogen erstmal geglättet sind, weißt du wieder, warum du es so liebst. vielleicht eine spur weniger sperrig als zuletzt auf "real gone" von 2004, gibt's auch hier wieder genügend reibungspotenzial und songs, die kopfschmerzen machen, aber auch für die fraktion, die nach "heartattack and vine" immer schwerer zugang gefunden hat. natürlich trotzdem windschief wie die hölle und mit der nötigen, gehobenen augenbraue. ihr wisst, was ihr bekommt. tom waits bleibt spannend.




04. touché amoré: parting the sea between brightness and me

kein schlechtes jahr für krach mit emotionalem geschrei. im gegensatz zu ihren kollgen von la dispute, sind touché amoré eher der direkte schlag ins gesicht. ohne ansage und umwege. direkt und schmerzhaft ehrlich. so wie die texte von jeremy bolm, der scheinbar nicht anders kann. der blick ins innere und das komplette nackig machen, verpackt in kurze (nur ein song überschreitet 2 minuten), wütende, aber melodische brecher. das hat auf dem vorgänger "...to the beat of a dead horse" auch schon hervorragend funktioniert, erreicht hier aber ein neues level an intensität. und selbst in der kurzen spielzeit von ca. 20 minuten bleibt platz für ein paar nette gimmicks à la handclaps oder die unglaubliche pianoballade "condolences". so kann das 2011 aussehen. verspielt, aber nicht ausufernd. introspektiv, aber nicht ätzend egozentrisch. top.




05. bon iver - dto.

das war wohl so nicht zu erwarten. vorbei der ein-mann-folk des einsamen waldschrats. der fokus liegt jetzt auf justin vernons band und der damit einhergehenden möglichkeit, ausgehend vom letzten album, das soundsprektum kolossal zu erweitern. war "for emma, forever ago" selten mehr, als justin und seine gitarre, warten jetzt an jeder ecke streicher, bläser, dichte, weiche soundflächen. als hätte man "for emma..." in einen haufen watte gepackt. manche mögen die reduzierte intimität des vorgängers vermissen, längerfristig ist "bon iver" aber gehaltvoller. mehr gibt es zu entdecken, letztendlich ist es gar griffiger, so ätherisch es teilweise auch herkommen mag.





06. the pains of being pure at heart: belong

wenn die pains auf ihrem debut vor allem ride oder eine zuckersüße variante von my bloody valentine sein wollten, sind es diesmal die smashing pumpkins. naja, und ride. kann ihn aber keiner verübeln, denn sie sind verdammt gut darin, den 90er alternative/shoegaze zu emulieren und ihm ein großes, rosa zuckerherz um den hals zu hängen. überhaupt ist zucker das stichwort. man sollte annehmen, bei so vielen weltumarmenden, glückselig machenden songs bekäme man spätestens nach der hälfte bauchschmerzen, aber die pains schaffen den gratwandel zwischen feedbackruppigkeit, leicht entrücktem gesang und zauberhaften melodie. zum verlieben und verliebtsein. und selbst für danach.




07. altar of plagues: mammal

black metal hat dieses jahr einiges an gutes releases gesehen. wolves in the throne room, deafheaven oder die extrem gehypeten liturgy. am boden des bodenlosen abgrunds des nihilismus sitzen allerdings die iren altar of plagues und schreiben mit rabenschwarzer tinte ihre songs. hier fließt black metal in post-rock in drone. das ist teilweise arg trostlos und schwermütig. umso erstaunlicher, wenn sich die songs dann doch ab und zu einer melodie öffnen. natürlich nie für lange, man ist hier schließlich nicht zum spielen da. "no light, no dawn, always darkness." heißt es in "neptune is dead" (mit knapp 19 minuten der längste der 4 songs), stellvertretend für die aura, die das album umgibt. für die kalten tage ideal.




08. the twilight singers: dynamite steps

die afghan whigs treten nächtes jahr wieder für ein paar konzerte auf. was daran erwächst bleibt abzuwarten. bis dahin können sich herz, lunge und leber an "dynamite steps" laben. greg dulli in reinstkultur. songs über saufen, rauchen, ficken, die inneren dämonen. erwartungsgemäß sollte diese formel, die dulli ja spätestens 1993 auf "gentleman" perfektioniert hat, irgendwann mal ausgelutscht sein. aber dulli ist einfach zu gut, fast möchte man das verpöhnte wort authentisch bemühen, darin. wie gewohnt hat er eine schar gastmusiker um sich: petra haden, ani difranco und, unweigerlich, mark lanegan, um ein paar zu nennen. wie gewohnt sind die melodien groß und die menschlichen abgründe tief. wie gewohnt ist es wunderbar.




09. thrice: major/minor

thrice sind tot, lang lebe thrice. während mit la dispute, touché amoré und konsorten viel gutes nachwächst, haben 2011 viele wegbereiter das handtuch geworfen. thursday zum beispiel. und thrice eben auch. für's erste zumindest. man wolle sich um familie und ähnliches kümmern. das album macht den verlust einfacher, verbindet es doch die besten seiten, soll heißen die "alchemy index"-reihe und "beggars". nicht, dass thrice davor nicht gut waren, aber erst mit diesen alben haben sie sich etwas komplett eigenes geschaffen. post-core sagt man wohl. aber gemessen an dem, was so alles unter diesem banner firmiert dann doch lieber kein label. oder halt einfach thrice. straight, wie zuletzt auf "beggars", sehr melodiös, aber mit genug kleinen ideen und soundtüfteleien, um die sache spannend zu halten. und dustin kensrue ist einfach einer der besten sänger seiner riege. man kann nur hoffen, dass sie sich wieder aufraffen. bis dahin: thrice sind tot, lang lebe thrice.




10. casper: xoxo

und noch mehr skeptisch machender hype. casper ist 2011 komplett durch die decke gegangen. ich hatte anfangs nur wenig hilfreiche ansatzpunkte à la "hip hop meets rock" gelesen, und schon einen ganz trockenen mund bekommen, aus angst vor schlimmem "um die jahrtausendwende"-crossover. immerhin darf man das ja scheinbar wieder, anders kann ich mir das wiederauftauchen der fiesen guano apes einfach nicht erklären. ist zum glück nicht mal ansatzweise so. vielmehr hat casper metal/hc-background und spielt seine idee von hip hop, grenzübergreifend, mit band bzw. stülpt seinem rap die ästhetik von post-rock oder indie über. das ganze funktioniert hervorragend. angenehm gangstertum-befreit. referenzgespickte texte, eklektische musik, reibeisenstimme. letztere dürfte für einige wohl ein unüberwindbares hindernis darstellen. love it or hate it. scheuklappenfreiheit ist gefragt. so wie casper halt auch seine eigene musik betreibt. hoffentlich nimmt sich das die jugend zum vorbild.





honorable mentions:

city and colour: little hell
the jezabels: prisoner
the get up kids: there are rules
pianos become the teeth: the lack long after
william fitzsimmons: gold in the shadow
buffalo tom: skins
small brown bike: fell & found
eisley: the valley
lemuria: pebble
childish gambino: camp





komplettaussetzer:

dredg: chuckles and mr. squeezy



looking forward to in 2012:

john k. samson
counting crows
the jealous sound





thanks for reading. und ein frohes fest allen.